Begrüßung zur Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht in Rohrbach

von Hans-Jürgen Fuchs
9. November 2014 

Im September 2013 erreichte mich eine Mail von Pfarrer Christoph Binder mit dem Vorschlag, eine Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht in Rohrbach zu veranstalten.

In der Stadt selbst, in Heidelberg, gibt es schon seit Jahren Gedenkveranstaltungen. In Rohrbach gab es eine eigenständige Jüdische Gemeinde, schließlich war Rohrbach bis 1927 selbstständig. Ein Denkmal – hier am Rathausplatz – erinnert an das Schicksal der Jüdischen Gemeinde, aber es hat meines Wissens noch nie ein eigenes Gedenken an die Zerschlagung der Gemeinde, die in der Pogromnacht 1938 begann gegeben.

Für das Jahr 2013 kam die Anregung von Christoph Binder leider zu spät. Denn wir waren der Meinung, dass eine solche Veranstaltung gut vorbereitet werden müsste. Außerdem hatte im Herbst letzten Jahres gerade die Umgestaltung des Rathausplatz ist begonnen, so dass wir die Gedenkfeier mitten in einer Baustelle hätten stattfinden lassen müssen. So beschlossen wir eine kleine Arbeitsgruppe zu bilden, die eine eigene Rohrbacher Gedenkfeier für das Jahr 2014 vorbereiten sollte.

Diese Arbeitsgruppe, in der Stadtteilverein und punker zusammen arbeiteten, nahm auch sofort die Arbeit auf und heute gilt mein besonderer Dank denjenigen, die die heutige Veranstaltung intensiv vorbereitet haben. Ich danke hier besonders Sibylle und Jürgen Ziegler, Claudia Rink und nicht zuletzt Christof Binder!

Und ich bedanke mich bei Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin und Michael Buselmeier für ihre Unterstützung beim heutigen Gedenken!

Dass es in Rohrbach bisher keine eigenständige Gedenkfeier für die Pogromnacht gegeben hat, heißt nicht, dass wir uns hier nicht mit dem jüdischen Leben in unseren Stadtteil auseinandergesetzt hätten. 2003 hatte der punker eine von Claudia Rink und Ursula Röper vorbereitete, sehr gut besuchte Führung durchgeführt. Es war sehr eindrucksvoll zu hören, wie viele jüdische Bürger mitten in Rohrbach gelebt hatten, in welchen Häusern sie gewohnt hatten, wo die Synagoge und wo die Mikwe gestanden hatten.

Und dann wurde am 9. November 1938 die Synagoge in Brand gesetzt. Und die Feuerwehr, die helfen wollte, wurde am Löschen gehindert. Und in den Jahren danach wurden die jüdischen Bürger geschmäht, verfolgt, ins Exil getrieben oder verhaftet und in den Vernichtungslagern ermordet.

Eindrucksvoll an dieser Führung war der Fokus auf das lokale Geschehen. Denn das, was wir sonst über den Nationalsozialismus hören, was wir in der Schule lernen, oder im Fernsehen sehen, bleibt gerade wegen seiner Dimension und seiner Ungeheuerlichkeit immer auch abstrakt.

Doch das waren ja nicht nur schreckliche politische Vorkommnisse, die auch in einen globalen Krieg führten, sondern da wurden Menschen mitten aus dem Leben unseres Ortes herausgerissen, deportiert und getötet. Das alles hat große Lücken hinterlassen, Wunden, die eigentlich hätten schmerzen sollen, die Trauer hätten auslösen müssen.

Aber die Scham nach dem Ende des Nationalsozialismus, die Schuldgefühle als Mitwisser oder gar Mittäter verhinderten das. Und die Not, die es auch gab, der Schrecken des Krieges, die Bestürzung über die vielen Toten auch in der nichtjüdischen Bevölkerung und die Informationen darüber, was von Deutschen und im deutschen Namen angerichtet worden war – all das war zu bedrückend …

Hannah Arendt schrieb 1950 nach einer Reise durch Deutschland, nirgendwo werde der Albtraum von Zerstörung und Schrecken weniger verspürt und nirgendwo werde weniger darüber gesprochen als in Deutschland selbst. Erst viele Jahre nach Kriegsende setzte in Deutschland eine intensive Auseinandersetzung mit den Taten und den Tätern, mit den Mitläufern und denen, die gegen das Regime gekämpft hatten ein. Und sie ist bis heute nicht abgeschlossen.

Und das ist gut so!

Dass wir heute hier zusammen kommen und unserer jüdischen Mitbürger, die Opfer des Nationalsozialismus wurden gedenken, dass wir auf die Wunde hinweisen, die unserem Stadtteil geschlagen wurde, ist ein Teil dieser Auseinandersetzung. Wir können damit niemandem mehr helfen, der damals verfolgt wurde, wir können keine Wiedergut­machung leisten.

Aber wir können die Erinnerung an unsere vertriebenen und getöteten Mitbürger wachhalten und damit einen kleinen Beitrag leisten, dass so etwas nie wieder in unserem Land passiert.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!